Reisefotografie – Warum „in Style“ fotografieren?
In früheren Zeiten erfüllte die private Reisefotografie im Wesentlichen den Zweck, dem Vergessen als unvermeidliche Folgeerscheinung des Alterns entgegenzutreten. Im Kreise der Familie oder in einsamer Rotweinlaune anhand von verblassenden Fotoabzügen sich an die zu teuren gleichwohl wundervollen Urlaube zu erinnern, war der wahre Wert dieser Fotoreisen, investiert in einigen dutzend unikaten Lichtbildaufnahmen.
Heutzutage ist es für viele Menschen undenkbar, eine Reise zu tun, etwas zu essen oder morgens aufzuwachen, abends einzuschlafen oder nachts wach zu liegen, ohne dies fotografisch festzuhalten und den paar hundert engsten Freunden umgehend und ungefragt mitzuteilen.
Jeden Tag werden 100 Millionen Fotos auf Instagram und dreimal so viel auf Facebook hochgeladen. In der Zeit, die sie bisher mit diesem Artikel zugebracht haben, sind mehr als 70.000 neue Fotos hinzugekommen.
Ich konfrontiere Sie jetzt mal mit der steilen These von Karl Valentin, dass so ziemlich alles Bemerkenswerte bereits fotografiert wurde, nur noch nicht von jedem. Vermutlich auch bei jedem Licht, aus allen Perspektiven und zu jeder Zeit (Beeindruckender Beweis auf Petapixel). Und mit jeder erdenklichen Kamera, wobei dies noch den geringsten Unterschied ausmachen dürfte.
Gute Bilder – eine Frage der Kamera?
Schaut man sich die bekanntesten Fotografen der letzten Jahrzehnte an, stellt man überraschend fest, dass diese sich wenig bis gar nicht mit Kameratechnik beschäftigen. Haben sie das Gerät gefunden, mit dem sie ihre visuellen Ideen bestmöglich umsetzen können, belasten sie sich nicht weiter mit den Technikfragen, sondern mit Bildinhalten. Getreu dem Motto „Horses for courses“ wechseln sie je nach Aufgabe auf die Kamera, Linse oder System, welches am besten zur Aufgabenstellung passt. Ein Prinzip, das jeder Handwerker kennt und umsetzt, welches den oftmals fanatischen Kamera-Fanboys hingegen fremd zu sein scheint, gibt es doch lt. deren Bekunden, Erfahrung und Glauben keine bessere Kamera als xyz. Und zwar für alles und jeden und jederzeit. Da bleibt selbstredend wenig Zeit, sich mit dem Foto an sich zu beschäftigen, gilt es doch die technischen Spezifikationen des neusten Modells gegen den Wettbewerb abzugrenzen, indem dieser klein, besser noch totgeredet wird. Und mit jedem neuen Kameramodell werden selbstverständlich auch die Bilder besser.
Eine Annie Leibovitz greift in dieser Zeit zur Hasselblad, Nikon oder privat auch mal zur Fujifilm Kamera. Ein Peter Lindbergh nimmt seine Nikon, ein Sebastião Salgado seine Canon, Helmut Newton die Hasselblad, Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, Elliott Erwitt eine Leica usw. Oftmals kommen nicht einmal die neusten Modelle zum Einsatz. Vincent Peters arbeitet gar mit einer analogen Mamiya RZ, die 2004 zuletzt gebaut wurde! Ist das zu glauben? Letztlich ist sowieso nicht immer drin, was draufsteht. Hasselblad Objektive wurden von Fuji gebaut, die früheren Digital Backs kamen von Phase One, viele Kamerahersteller nutzen Sony Sensoren, Panasonic lässt Linsen von Leica konstruieren usw.
Heute und seit Jahren kann man keine schlechten Kameras mehr kaufen. Ein Fotoapparat für 500 Euro produziert mittlerweile eine bessere Auflösung als die Kameras, die ein Cartier-Bresson, Erwitt, Eisenstaedt, Hoepker etc. zur Verfügung hatten. Und obgleich von den über eine Million Fotos, die seit dem Beginn dieses Artikels auf Instagram und Facebook hochgeladen wurden, viele sicher eine bessere Bildqualität aufweisen als Alberto Kordas Porträt von Che Guevara oder Fred Herzogs „Man with Bandage“ oder Kai Wiedenhöfers „Perfect Peace“, werden die allerwenigstens davon einen Eindruck hinterlassen.
Aber wenn es keine Rolle mehr spielt, was ich fotografiere, weil es unzählige Male von anderen bei besserem Licht und oder mit mehr Talent fotografiert wurde, und wenn es gleichgültig ist, womit ich fotografiere, da heute jede Kamera ausreichend gut ist für die üblichen Verwendungszwecke, was spielt dann überhaupt noch eine Rolle?
Entscheidend ist, meine lieben Leser, WIE ich fotografiere. Im besten Falle mit Stil, mit der Signatur der eigenen Persönlichkeit.
Tipp: Wenn Reisefotos zu einem Video oder Reel zusammengestellt werden, ist die passende musikalische Untermalung fast schon ein Muss. Gerade bei der Veröffentlichung auf Social Media oder YouTube sollte man jedoch bei der Verwendung von Songs und Sounds vorsichtig sein und das Urheberrecht beachten. Unser Tipp für lizenzfreie Musik ist die Plattform Videvo – hier kann man sich kostenfrei anmelden.
Kamerawahl – Grundlegendes.
Ich möchte an dieser Stelle etwas Expectation Management betreiben, damit sie am Ende dieser Artikelserie genauso viel Spaß hatten, wie ich.
Dieser Artikel ist kein Technikartikel, kein Kameratest oder Vergleich und auch nicht der Versuch eines Fanboys, weitere willfährige Markenjünger ins eigene Lager zu ziehen. Wir werden uns ebenso nicht an MTF Charts von Objektiven oder Signal-to-Noise Ratios von Sensoren ergötzen. Das wollen und können andere besser.
Die hier gezeigten Beispielbilder wurden alle von mir und mit den hier erwähnten stilinhärierenden Kameras erstellt. Da die Bildredaktion von Fratuschi unter dem Vorwand kurzer Ladezeiten nur Fitzelbildchen in lächerlicher Auflösung erlaubt, taugen die Bilder zur Bewertung nur bedingt. Also gar nicht. Laden dafür aber schnell. Das JPEG Dateiformat mit einem 8-Bit sRGB Farbraum und einer Datenkompression die eine schnelle Übertragung per Dosentelefon ins Randgebiet des Sonnensystems zulässt, verhält sich zu TIF im 16-Bit ProPhoto RGB Farbraum wie eine mehrfach raubkopierte Schellackplatte eines Lang Lang Konzertes (chinesischer Drahtkommodenspieler, nicht besonders lange Spieldauer eines Konzertes) zu demselben als Live Erlebnis im Wiener Musikverein mit dem Hörvermögen eines zehnjährigen Synästhetikers. Da viele vermutlich keinen regelmäßig farbkalibrierten Monitor besitzen, Color Management nur vom Waschprogramm erwarten und das hier alles vielleicht auf einem dieser fummeligen „Mobildevices“ lesen, spielt es eh keine Rolle.
Ich möchte Ihnen nicht weismachen, dass gleichgültig wie weit entwickelt ein Kamerasystem ist, es die eierlegende Wollmilchsau gibt, die für jede Anwendung die bestmögliche Lösung darstellt.
So ist z.B. für die instantane Instagram Dokumentation des Erlebten das Smartphone in der Regel die smarteste Lösung. Womit die Namensherkunft nebenbei geklärt wäre. Wer seine Fotos gerne als Fototapete verewigt, wird ein Fan des Mittelformates sein und wer lieber Sport- oder Raubtiere bei der Arbeit fotografiert, kann einer Framerate von mind. 10 Bildern pro Sekunde richtig was abgewinnen. Getreu dem Motto „Spray and Pray“ ist dann bestimmt was Schönes dabei. Apropos Motto. Wer glaubt, alles was sich mehr als 10 Schritte vom Auto entfernt befindet ist nicht fotogen, kann sehr glücklich mit einer Spiegelreflexkamera nebst Objektiven und Zubehör werden. Wer wie Sebastião Salgado tagelang durch den regnerischen Amazonas wandert, legt dagegen primär Wert auf gutes „Weather Sealing“. Denn die beste Kamera nützt nichts, wenn sie erstens nicht dabei oder zweitens kaputt ist. Für Konzertfotografie eignet sich besser ein Low Light Monster und für die Street Photography (kann man übersetzen, hört sich dann aber blöd an) taugt was Unauffälliges. Für die Fotografie von Konzerten übrigens auch, wenn man nicht zugelassen ist.
Reisefotografie mit Stil und Sinn!
Es gibt ungeachtet der Tatsache, dass fast alle Kameras gute Bilder machen können Spezialgebiete, in denen die Geräte sich sehr wohl unterscheiden können. Die (private) Reisefotografie ist dabei recht genügsam. Ich halte es für wichtig, dass eine Kamera inklusive Linsen und Zubehör reisetauglich, d.h. tragbar ist und kein eigenes Flugticket braucht. Sie sollte bei Regen und Hitze und Kälte funktionieren. Um für mich persönlich als Reisekamera in Frage zu kommen muss sie zusätzlich eine außerordentlich gute Bildqualität für den Ausdruck auf A3+ und hochwertige Fotobücher im Coffee-Table-Format liefern. Und über eine gute Ergonomie verfügen. Es muss Spaß machen, die Kamera in die Hand zu nehmen und angenehm sein, sie Stunden- und Tagelang mit mir rumzutragen. Zusätzlich sollte sie von hohem technischen Verständnis und ausgezeichnetem Geschmack des Besitzers zeugen.
Eine Kamera im Look eines Tellers bunter Knete verbietet sich automatisch, wenn sie ansonsten auf Aussehen und Auftreten achten. Und wenn sie das nicht tun, brauchen sie auch nicht weiterlesen. Immerhin wurden seit Beginn des Artikels mehrere Millionen Fotos hochgeladen, die geliked werden wollen.
Reisefotografie in Style – weltweit!
Eine Lexibook Hannah Montana Kamera ist ok, wenn man aussieht wie Cindy aus Marzahn. Zum Vilebrequin Outfit im One & Only Reethi Rah auf den Malediven passt sie nicht. Genauso wenig sollte eine Sony Cybershot an einem Handgelenk baumeln, an dem zeitgleich die Patek Philippe Calatrava getragen wird. Das ist, als würde man Seiten aus einer Bibel reißen.
Und eine Polaroid läuft Gefahr, nach dem obligatorischen Clubsandwich in der Lobby des Waldorf Astoria Amsterdam mit dem benutzen Geschirr abgeräumt zu werden, wenn es sich nicht um ein original analoges Sofortbildgerät aus dem letzten Jahrtausend handelt. Das wäre dann wiederum cool.
Legen Sie stattdessen eine Leica M auf den Tisch. Am besten direkt auf eine „Paternoster“ von Swaine Adeney .
Aber nicht aus den Augen lassen, da kommen schnell 15.000-20.000 Euro zusammen, je nach Objektiv an der Kamera. Wenn Sie dann zum Bezahlen den Kellner beim Vornamen nennen und die American Express Centurion Card zücken, werden Anwesende auf akkreditierende Kiemenatmung umstellen.
Wir können also weitermachen und müssen es sogar, da meine Frau allzu lange Texte als SEO-Seuche und Google Gift bezeichnet und angeblich proportional zur Text- und insbesondere Satzlänge unschuldige Hundewelpen verenden. Bühne frei für die stilvollsten Kameras der Welt.
Über den Author:
Audemar hat seine Modelkarriere viel zu früh beendet, um als Chief Coordinator Writers Stuff die Supervision zu übernehmen. Oder so…
Er ist mit mir verheiratet , möchte aber anonym bleiben und schreibt deshalb unter einem Pseudonym, welches aber nicht verraten wird.
10 Comments
Ein schöner, kurzweiler Artikel über eine meiner liebsten Leidenschaften – der Fotografie. Und es zeigt sich einmal mehr, dass es nicht die teurerste Kamera bedarf, sondern eher ein gutes Auge und Übung, um schöne Fotos zu bekommen, die heraus stehen in dem Sumpf aus immer gleichen Aufnahmen vom gleichen Motiv.
Liebe Grüße Kirsten
Hallo Kirsten,
herzlichen Dank für deinen Kommentar und dein Lob für meinen Gastautor. Er freut sich darüber.
Herzliche Grüße
Sabine
Hihi, ich habe mir noch nie Gedanken drüber gemacht, ob meine Kamera zu meinem Klamottenstil passt. Aber ich achte allgemein wenig auf Äußerlichkeiten und lass mich davon nur wenig beeindrucken. Von daher, wenn die Kamera und ich uns gut verstehen, dann darf es auch Hannah Montana sein *lol* Hauptsache es bringt Spaß und tolle Bilder
Liebe Nina,
Spaß und tolle Bilder stehen natürlich grundsätzlich immer im Vordergrund. Der Fokus dieses Artikels geht darüber hinaus.
Liebe Grüße
Sabine
Liebe Sabine,
wieder ein toller Artikel deines Mannes. Und ich muss zugeben, dass ich durch die großartigen Bilder ein wenig vom Text abgelenkt war. Aber er hat recht: es müssen nicht immer teure Kameras sein, um gute Bilder zu machen. Wichtig ist der Fotograf. 😉
Danke für diesen Denkanstoß.
Viele liebe Grüße
Kathi
Hallo Kathi,
wie meines Mannes? Verrate doch nicht alles 😉
Ich freue mich, dass dir der Artikel gefallen hat.
Herzlichst
Sabine
Ein großartiger Beitrag in einem sehr amüsanten Schreibstil. Ich habe herzlich geschmunzelt (hätte ich im Wartezimmer gelacht, wäre das sicher unangebracht gewesen).
Meine Kamera passt vielleicht nicht zu meinem Klamottenstil, aber immerhin haben sie, mein Laptop und meine Powerbank nahezu die gleiche Farbe. Ganz so teuer war sie auch nicht und für den Großteil meiner Zwecke funktioniert sie gut. Leider sind Bewegt- und Konzertfotos nicht so gut aufzunehmen. Aber da stecke ich dann auch gerne zurück.
Jetzt muss ich schnell auf Instagram was hochladen und liken. Darf ja bei den ganzen Fotos nicht hinterher hinken.
Beste Grüße aus Oldenburg \o/
Michelle | The Road Most Traveled
Hallo Michelle,
vielleicht hätte es ja ein bisschen bessere Stimmung ins Wartezimmer transportiert, wenn du gelacht hättest.
Aber dann hättest du vermutlich die Wartenden vom Foto hochladen abgelenkt 😉
Herzlichst
Sabine
Ich finde diesen Artikel gut. Er hat so viel individuellen Stil wie Leica M oder Hasselblad. Aber ich fotografiere lieber mit der Lumix GX80. Ich finde die viel handlicher und besser und mir gefällt die Fuji X100 mit ihrem Hybridsucher ebenfalls besonders gut. Stil drückt sich ja nicht nur im Geld und kaufen können aus sondern im individuellen Umgang mit Gütern. Und stilvolle Fotografie ist keine Geldfrage sondern eine Stilfrage. Inwiefern Leica einenbesonderen Stil hat haben Sie ja schon früher diskutiert. Dem würde ich mich anschließen.
Lieber Michael.
Genauso ist es. Stil ist Frage des individuellen Ausdrucks und insofern immer gegeben. Genauso wie die Subjektivität eines Menschen, auch wenn dieser sich gelegentlich abmüht, objektiv zu erscheinen. Die Fuji X100 ist eine der großartigsten und stilvollsten Kamera der letzten Jahre. Schon mehrfach habe ich die Hand danach ausgestreckt, aber in letzter Sekunde dann doch nicht zugegriffen. Vermutlich weil sie von Art und Leistung meinen Leicas zu ähnlich ist. Meine Frau ist übrigens eine glückliche XT-2 Nutzerin und ich muss zugeben, dass sie damit eine ausgezeichnete Wahl getroffen hat. Mit den Lumix habe ich keine Erfahrungen und Panasonic erinnert mich zu sehr an meinen damaligen S-VHS Videorekorder, übrigens ein Flaggschiff seiner Art. Ist eben nicht mein Stil. Aber das spielt ja auch keine Rolle. Und das Stil keine Frage des Geldes ist, weiß man spätestens seit den Geißens oder der Weihnachtsdekoration im Trump´schen Weißen Haus.